
SENTIERO DELLA BONIFICA
[Die Route der Trockenlegung]
Mit dem Fahrrad entlang dem Canale Maestro della Chiana

Willkommen in dem weiten Chiana-Tal, einem Paradies für Fahrradfreunde. Dieses Gebiet stellt eine ideale Verbindung zwischen dem Umland von Arezzo, Siena und Umbrien dar. Die Radtour entlang dem Canale Maestro della Chiana ist eine Fahrt durch die Zeit und die Elemente. Sie führt mitten hinein in die etruskische Kultur und in die Gewässer in einer Region, die von Naturkräften und von Menschenhand geprägt wurde. Den Wasserbauingenieuren des toskanischen Großherzogs Leopoldo ist die Trockenlegung dieses Sumpfgebietes zu verdanken, ein gewaltiges Unternehmen, das diese Gegend in fruchtbares Ackerland verwandelte. Auch heute noch stützt sich die lokale Wirtschaft wesentlich auf die einheimischen Landprodukte wie Käse, Obst, Öl und Wein, die dem Radler überall am Straßenrand geboten werden. Zwischen Arezzo und Chiusi gibt es reichlich Gelegenheit, ins Herz eines Landes einzudringen, das es zu erleben lohnt, auf den Spuren von Geschichte und Kunst, entlang einem historischen Wasserweg, eingefangen vom Zauber einer Region, der allen Gemeinplätzen zum Trotz noch der Duft echter Authentizität anhaftet.
Der Canale Maestro della Chiana
Die Radwanderroute des Canale Maestro im Chiana-Tal verbindet Arezzo mit Chiusi. Die Strecke ist etwa 62 km lang und auch für diejenigen ausgestattet und gesichert, die ein langsameres Reisetempo bevorzugen, sowohl mit dem Rad als auch zu Fuß. Die alte Straße, die früher für die Instandhaltung des Kanals und der Schleusen benutzt wurde, ist eine ebene Strecke durch die Natur und deshalb besonders geeignet für den familiären Radtourismus und ideal als Ergänzung zur Beförderung mit der Bahn, die im Valdichiana zwischen Arezzo und Chiusi verkehrt.
Abgesehen von der Geschichte und dem Landschaftswert
zeichnet sich dieser Radweg, der
das gesamte Chiana-Gebiet durchquert, durch seinen betont touristischen Charakter aus, sodass der
Besucher diese Gegend in ihrer ganzen Fülle genießen kann, etwa wie auf den
europäischen Radpisten, die all denen, die ohne Eile reisen möchten und sich deshalb auf den Sattel schwingen, die Möglichkeit zu
geben, eine bestimmte Region gründlich kennenzulernen. Da der Weg vorwiegend
durch Flachland führt, eignet er
sich besonders für Familien mit
Kindern. Mit anderen Worten, die Toskana
mit ihrem sonst hügeligen oder bergigen Landschaftsprofil, das den
Beinen ständige Höhenunterschiede zumutet, breitet sich hier sanft aus und gibt auch denen eine Chance,
die nicht unbedingt athletisch
durchtrainiert sind.
Der Radwanderweg des Canale Maestro della Chiana bietet außerdem Gelegenheit, mit den Orten und Menschen in Berührung zu kommen; sie erzählen dann von ihrer Gegend und ihren lebenswichtigen Landprodukten, wie Wein, Öl und Obst. Im Verlauf der Radroute entdeckt man Weinkellereien, hübsche Plätze, Ölmühlen und Handwerker, die abseits der üblichen Touristenwege liegen. Es handelt sich um eine Art “Vorzugsstraße”, die mitten in ein Tal hineinführt, das zwar viel befahren wird, per Auto oder Bahn jedoch unentdeckt bleibt, hinein ins Herz der Toskana, die es zu erkunden und erleben lohnt.
Darüber hinaus hat der Radreisende die Möglichkeit, in Verbindung mit der Bahn die gesamte Strecke zurückzulegen, ohne den gleichen Weg noch einmal fahren zu müssen. Die entsprechenden Dienstleistungen (Fahrradverleih, Gepäckbeförderung, Versorgungsstellen und touristische Einrichtungen bzw. spezielle Unterkünfte im Verlauf der Strecke) machen diesen Radweg zu einem Bezugspunkt im Zentrum der Toskana, der mit der Bahn bis Chiusi Chianciano Terme und Arezzo bequem zu erreichen ist. Kurze Abstecher vom Hauptweg führen zu Kunststädten wie Montepulciano und Chiusi, Arezzo, Castiglion Fiorentino und Cortona – Erlebnisse, die man sich auf dieser Reise nicht entgehen lassen sollte. Auskünfte zur Geschichte sowie technische und touristische Hinweise im Internet: www.sentierodellabonifica.it
Im
Zeichen des Menschen und der Natur
Wer den Canale Maestro della Chiana im Umland von Siena und Arezzo ohne Hast und Eile entlang fährt, wird die Natur eines Landes entdecken, die der Mensch mit seiner schöpferischen Erfindungskraft dem Wasser entrissen hat. Und nicht nur das. In diesem großen Tal liegen die magischen Wurzeln der etruskischen Kultur verborgen. Das Chiana-Tal ist ein Land in Bewegung, und das jahrhundertelange Sanierungswerk steht sinnbildlich für eine stetige Veränderung dieser Region. An der Trockenlegung des Sumpfgebietes waren Ingenieure, Mathematiker, Wasserbautechniker, Kartographen, Agronomen und Architekten beteiligt: von Leonardo da Vinci bis zu Vittorio Fossombroni, einem herausragenden Techniker aus Arezzo, der über 50 Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1844 an dem Projekt arbeitete.
Der Canale Maestro della Chiana stellt ein historisches Wasserbauwerk dar, das
auch heute noch eine wichtige
Rolle im Territorium spielt. In der Antike mündete der Fluss “Clanis” über den Paglia-Fluss in den nach
Süden fließenden Tiber. Etwa im 11. Jahrhundert setzte die Versumpfung des
Tales ein, da sich das Land in der
Gegend von Chiusi aufgrund tektonischer Bewegungen und der Ablagerung von Erosionsmaterial langsam
zu heben begann. Der Fluss “Clanis” konnte nun nicht mehr regelmäßig zum Tiber hin
abfließen und überschwemmte das
Tal über nicht weniger als fünf
Jahrhunderte. Mit einem ersten Eingriff
der Medici und später der Habsburger-Lothringer, der neuen Großherzöge
der Toskana, begann der Wandlungsprozess des Tales. Durch die Trockenlegung und den Bau des
Canale Maestro, mit Hilfe von
Auflandungen, Kanalbrücken, Galerien, Abzugskanälen und Schleusen, änderte der Wasserlauf seine Richtung
und fließt heute nach Norden
weiter, wo er dann in den Arno
mündet. Das Ergebnis sieht so aus,
dass dieses jahrhundertelange Sumpfgebiet heute eines der fruchtbarsten Täler unserer Halbinsel
darstellt: 185 qkm Land, davon 80 dem
Wasser entzogen und ausgestattet mit 630 km Schutzdämmen
Auf einem so ausgezeichneten Weg, von Mensch und Mutter Natur in perfektem Einklang gestaltet, macht das Radeln richtig Spaß. Die Zeit ist der Schlüssel zum Verständnis dieser Straße für Radtouristen, die hier Gelegenheit haben, den Sinn der Langsamkeit zu entdecken und in die ferne und geheimnisvolle Vergangenheit der etruskischen Zivilisation einzutauchen. Eine Reise in der Gegenwart auf den Spuren einer faszinierenden Vergangenheit, auf einem Weg, der in Chiusi beginnt – im Labyrinth des Porsenna, des etruskischen Königs, der es wagte, Rom herauszufordern und es zu besiegen – bis zur Chimäre von Arezzo, der berühmten Bronzefigur des 4. Jahrhunderts v. Chr. (heute im Archäologischen Museum in Florenz). Die etruskische Reise führt durch Legenden und Mysterien, tausendjährige Mauern und Nekropolen wie in Cortona und Castiglion Fiorentino: Orte, an denen man sich unwillkürlich Fragen stellt über unsere Kenntnisse von diesem rätselhaften Volk, das bereits viele Jahrhunderte vor Christus “moderne”, ja zeitlose Ausdrucksformen kannte. “Lebendige” Spuren des antiken etruskischen Curtun offenbart die Tabula Cortonensis, die auf das 3.-2. Jahrhundert v. Chr. zurückgeht. Die Tafel von Cortona stellt eines der bedeutendsten Dokumente der etruskischen Zivilisation dar. Es handelt sich um einen Vertrag, der den Verkauf von Ländereien zwischen Familien aus dem Umkreis von Cortona bestätigt und von der intensiven landwirtschaftlichen und kommerziellen Tätigkeit jener Zeit zeugt.
Mächtige Sandsteinblöcke sind noch sichtbar in den Mauern von Castiglion Fiorentino – ein weiterer etruskischer Hauptort und wichtige Etappe dieser Reise. Die Geschichte, aber auch die Natur kennzeichnet dieses Grenzgebiet der Toskana, wo die wie Spiegel anmutenden Seen von Chiusi und Montepulciano mit ihrer artenreichen Flora und Fauna, die vom C.N.R. (Nationales Forschungszentrum) als bedeutende Biotope eingetragen wurden, hochinteressante Oasen für Radtouristen darstellen, vor allem, wenn sie sich für birdwatching begeistern.
GASTRONOMISCHE GENÜSSE IM VALDICHIANA
Die Trockenlegung des Chiana-Tals hat den Sumpf in fruchtbaren Ackerboden
verwandelt, mit großen Vorteilen
für die lokale Landproduktion, die dazu beiträgt, die Identität einer Region aufzubauen, die sozial, wirtschaftlich und kulturell in hochinteressanten
spezifischen Aspekten zum Ausdruck
kommt. Extravergine-Olivenöl und DOC-Weine sind Markenzeichen einer heutigen Produktion, deren
Anfänge weit zurückliegen. Die
Weinstraßen “Terre di Arezzo” und “Vino Nobile di Montepulciano” sind der Schlüssel zum Verständnis dieses
Gebiets mit seiner hervorragenden
Weinproduktion wie D.O.C. Cortona,
Valdichiana, Vin Santo del Chianti
Colli Aretini Occhio di Pernice und
Vin Santo di Montepulciano, vor allem aber mit den beiden D.O.C.G.-Weinen (Kontrollierte und garantierte Herkunftsbezeichnung)
Vino Nobile di Montepulciano und
Chianti Colli Aretini. Beachtlich
ist auch die Obstproduktion mit Pfirsichen, Susinen, Birnen und Öpfeln, insbesondere der
rostfarbene Apfel (mela rugginosa)
des Chiana-Tals, der in der
Umgebung von Arezzo (Civitella, Monte San Savino, Castiglion Fiorentino, Foiano) angebaut
wird, ein ausgesprochen würziger, fester und sehr haltbarer Apfel (über zwei
Monate ohne Kühlung). Der Honig im
Chiana-Tal zeichnet sich hingegen durch seinen Sortenreichtum aus, wie
Millefiori, Akazie, Kastanie, Erdbeerbaum, Heilkräuter, Honigklee und
Sonnenblume.
Große Bedeutung kommt auch dem Fleisch des Chianina-Rindes zu, der mit Abstand besten Rasse, die das berühmte und schon legendäre T-Bone-Steak, die “bistecca fiorentina”, liefert. Sehr geschätzt ist auch die Gastronomie des “Quinto Quarto” (eine Arme-Leute-Küche, die Innereien verwendet) mit schmackhaften Gerichten wie “trippe al sugo” (Kaldaunen in Tomatensoße) oder “grifi in umido” (geschmorte Muskelteile vom Maul); in diesen Namen klingt die “alte Marktsprache” nach, die noch heute auf den Plätzen des Chiana-Tals zu hören ist.
Das Chianina-Rind (“bove”) war schon den Etruskern und Römern bekannt; wegen ihrer stattlichen Größe und Eleganz benutzte man sie bei Triumphzügen und als Opfertiere für die Gottheiten. Es handelt sich um das größte Rind der Welt. Der “weiße Chianina-Riese” und sein Name haben in diesem Land ihren Ursprung. Die konstante genetische Selektion brachte diese Tiere mit dem qualitativ hochwertigen Fleisch hervor, und heute besitzt das Chianina-Rind das von der Europäischen Union anerkannte Gütezeichen IGP (Geschützte Geographische Ursprungsbezeichnung für das Weiße Jungrind des Zentralapennins – Chianina). Wichtige Voraussetzung für das IGP ist, dass das Fleisch von Rindern der reinen Chianina-Rasse stammt, die zwischen 12 und 24 Monate alt sind und eine kontrollierte Ernährung mit Naturfutter nachweisen können. In der Metzgerei muss die “Identitätskarte” für das Fleisch vorgezeigt werden, mit Angaben zum Zuchtbetrieb und Schlachtdatum.
In einer Zeit vieler wahlloser Produktionen, die für den Weltmarkt bestimmt sind, stellt die Qualität und die Zuverlässigkeit des Chianina-Fleisches aus lokalen Zuchtbetrieben eine wichtige Orientierung dar. Weitere hervorragende Fleischspezialitäten sind porchetta (gebratenes Spanferkel) di Monte San Savino und Salami vom Cinta Senese-Schwein. Oci und nane – so heißen im Dialekt das Gans-Männchen (Ganter) und Enten. Mit ihren Eiern (auch mit Hühnereiern) werden die hausgemachten Nudeln hergestellt, wie Ravioli, Pappardelle (gewellte Bandnudeln), Tagliatelle (Bandnudeln) und “Maccheroni” (breitere Bandnudeln). Aber die traditionellen Nudeln des Chiana-Tals (besonders auf der sienesischen Seite) werden nur mit Mehl und Wasser zubereitet, und zwar die berühmten pici, von Hand gemachte Spaghetti, die meist mit einer kräftigen Wildsauce serviert werden. Das Valdichiana besitzt auch Getreidefelder, wie Dinkel, Gerste und Mais, die zum großen Teil für die industrielle Teigwarenproduktion bestimmt sind. Aus dem Käse-Angebot sei der ausgezeichnete abbucciato aretino zu nennen, ein Schafskäse (einheimisch “cacio”) aus roher, das heißt ungekochter Milch, ein Käse mit ausgewogener Würze, der sich sowohl zur Lagerung als auch zum “frischen” Verzehr eignet. Abschließend noch ein ganz typisches Gericht der hiesigen Gastronomie, das schon zur Etruskerzeit bekannt war: der traditionelle “Brustico” aus Chiusi, das heißt ein im See gefangener Grillfisch, meist Barsch oder Perlfisch, der auf Seeschilf mit Gewürzkräutern geröstet und mit Öl, Knoblauch und Zitrone angerichtet wird.
UNTERWEGS AUF DEM SENTIERO DELLA BONIFICA
Abfahrt: Chiusi (Provinz Siena)
Ankunft: Arezzo
Entfernung: ca. 62 km
Höhenunterschied: ca. 20 m
Straßentyp: Schotterstraße
Schwierigkeitsgrad: leicht
VON CHIUSI BIS ZUM SEE BEI MONTEPULCIANO
Vom Bahnhof Chiusi aus radelt man zunächst zum Anfang des “Sentiero”, der genau an der
Stelle beginnt, wo sich der Damm befindet, der im Anschluss an das Abkommen von 1780 zwischen dem
Großherzogtum Toskana und dem Kirchenstaat geschlossen wurde. Der Damm
kennzeichnet die Grenze zwischen
der toskanischen Chiana, die zum
Arno hinfließt, und der römischen
Chiana, die in Richtung Tiber
abfließt. Hier in der Nähe stößt man in südlicher Richtung auf den Callone Pontificio (auch Campo alla Volta genannt), ein imposantes
Bauwerk, das vor dem Dammbau den
Zufluss des Wassers aus dem See
bei Chiusi zum Tiber regulierte.
Nachdem man die Hügel von Chiusi hinter sich gelassen hat, erreicht man bald zwei Türme mit den seltsamen Namen Torri
di Beccati Questo und Beccati
Quello (oder Quest'altro). Ersterer wurde 1427 von den Sienesen gebaut, um sich gegen die
Expansionsbestrebungen der Peruginer zu schützen, die unmittelbar danach den
zweiten Turm errichteten.
Tatsächlich markieren sie auch
heute noch die Grenze zwischen der Toskana und Umbrien und scheinen
irgendwie das eigene Territorium
verteidigen zu wollen.
Schon auf dem ersten Fahrtabschnitt eröffnet sich ein Naturraum
mit besonders hohem Landschaftswert. Die Radtour führt mitten durch grüne Gegenden rund um
den See bei Chiusi und, gleich
anschließend, den See bei
Montepulciano, ideale Orte für
eine erholsame Rast. Die Seen erinnern
noch an den ehemaligen Sumpf. Am Chiusi-See fand auch die berühmte
Flucht der heiligen Mustiola statt. Vom Kaiser verfolgt und gefangen genommen, gelang es ihr, den See zu
erreichen, wo sie ihren Umhang als Boot benutzte und auf dem Wasser davonschwamm.
Die Legende berichtet weiter, dass man noch heute in der Nacht des 3. Juli das
goldene Kielwasser der heiligen Mustiola auf dem Wasser des Sees sehen kann.
Die „Chiari“ genannten Seen bei Chiusi und Montepulciano sind besonders beliebte Wanderziele für Naturforscher und Vogelbeobachter. Willkommen im Reich der Stelzvögel, Wildenten, Seidenreiher und Zwergrohrdommeln. Auf diesem Abschnitt tritt der Radweg in die Stille der Seelandschaft ein und windet sich zwischen Pappeln und Trauerweiden durch die üppige Vegetation dieser Feuchtgebiete. In der Nähe des Sees bei Montepulciano gibt es eine Orientierungsstelle für Naturfreunde und Vogelfauna, die LIPU-Oase, die Besuchern Hütten und Plattformen zur Beobachtung der Vögel zur Verfügung stellt und außerdem die Möglichkeit bietet, mit dem Boot über den See zu fahren.
DAS
SIENESISCHE CHIANA-TAL: VON DEN CHIARI BEI CHIUSI UND MONTEPULCIANO BIS
FOIANO DELLA CHIANA

Nachdem
man schon 15 km zurückgelegt hat, verläuft der Radweg jetzt dicht am Damm des Canale
Maestro entlang durch das weite sonnige Chiana-Tal. Hier erreicht man
schon bald die Ortschaften Acquaviva und Montepulciano Stazione,
während man weiter entfernt auf den Hügeln die Silhouette des Städtchens Montepulciano
erkennen kann. Kurz nach Kilometerstein 20 streift der Weg den Callone
di Valiano, ein Bauwerk aus dem 18. Jahrhundert, das für die Regulierung
des Wasserflusses aus den Seen bei Chiusi und Montepulciano von großer
Wichtigkeit war. Mit dieser Barriere konnte bei Hochwasser dieser Trakt des
Canale Maestro schiffbar gemacht werden. Die Fahrt geht nun weiter mitten
hinein in die Schwemmlandebene am Fuß des Hügeldorfes Valiano (rechts)
und vorbei am Torrione, einem 1740 errichteten Turm, der es den
Wasserbauingenieuren ermöglichte, die Aufschlickungsarbeiten aus der Höhe zu
überwachen. Der letzte Abschnitt im sienesischen Chiana-Tal verläuft zwischen
der Chianacce genannten Gegend im Osten und Torrita di Siena im
Westen und führt bis in die Umgebung von Sinalunga und Foiano della
Chiana, das vom Radweg aus in wenigen Minuten bequem zu erreichen ist. Kurz
vor Kilometerstein 35 radelt man nahe an der Botte allo Strozzo vorbei,
einem genialen Wasserbau, wo die Wässer des Verbindungskanals (Allacciante
delle Chianacce) den höher gelegenen Canale Maestro kreuzen und dann in den
linken Verbindungskanal (Allacciante di sinistra) einfließen.
DAS CHIANA-TAL BIS AREZZO: LANDWIRTSCHAFT UND KUNSTSTÄDTE

Hier
beginnt der aretinische Abschnitt des Sentiero della Bonifica, und damit die
Fahrt in das landwirtschaftliche Kerngebiet des Chiana-Tals mit seinen
duftenden Osthainen. Die Toskana, die für Wein, Extravergine-Olivenöl und Weizen
bekannt ist, zeichnet sich in diesem Teil des Tals darüber hinaus wegen ihrer
ausgezeichneten Produktion von Äpfeln, Birnen und Susinen aus. Auf den Hügeln
im Osten wird Cortona sichtbar, eine bedeutende Etappe der „etruskischen
Route“. Das reizende Städtchen liegt in dem vom Sentiero della Bonifica
berührten Umland und ist auf einem 12 km langen Abstecher – allerdings mit
einer beträchtlichen Steigung am Ende – zu erreichen. Der Radweg streift dann
Foiano della Chiana, den ältesten Karnevalsort Italiens, wo dieses Fest seit
1539 dokumentiert ist. Bei Kilometerstein 40, zwischen Foiano und Marciano
della Chiana, an der Stelle, wo der Radweg die asphaltierte Straße im
rechten Winkel kreuzt, führt eine kleine Abzweigung rechts (Osten) zur Colmata
di Brolio. Die „colmate“ sind wichtige Wasserbauten, die eine Trockenlegung
des Sumpfes durch Überschwemmung ermöglichen. Dabei erfolgt die Bodenhebung
durch die Ablagerungen der aus dem Hügelland kommenden trüben Wässer, die hier
mit speziellen steinernen Einfriedungen zurückgehalten werden. Die Colmata di
Brolio, die sich in der Nähe des Radweges befindet, ist gut erkennbar.
Linkerhand dagegen taucht die Fattoria del Pozzo auf, die früher den
Rittern des Stephans-Orden gehörte und 1802 eingerichtet wurde, nachdem man sie
aus dem Landsitz Font’a Ronco ausgegliedert hat, da er zu groß war, um
mit der gebührenden Sorgfalt verwaltet zu werden.
Jetzt
verläuft der Radweg zwischen Marciano della Chiana und Castiglion Fiorentino,
einer etruskischen und mittelalterlichen Stadt mit zahlreichen Events, wie der
„Maggio Castiglionese“ und der „Palio die Rioni“. Hier gibt es verschiedene
verlockende Möglichkeiten, den Hauptweg vorübergehend zu verlassen. Von Marciano
und Foiano aus lohnt es sich, einfach ins Land hinein zu fahren und die schöne
Gegend von Arezzo mit ihren Weinbergen, Bauernhöfen und Zypressen zu genießen.
Hoch auf einem Hügel liegt Lucignano, das wegen seines eigentümlichen
elliptischen Stadtplans berühmt ist, und auf einer anderen Bergkuppe grüßt Monte
San Savino, ein bedeutendes historisches Kunstzentrum mit
Renaissancecharakter, das heute stolz ist auf seine künstlerische und in ihrer
Art einmalige Keramikproduktion.
In der
Nähe von Kilometerstein 49 führt der Radwanderweg an der Casello idraulico
di Frassineto genannten Pumpstation vorbei, bevor er die breite Straße
rechtwinklig kreuzt, die das riesige Landgut Font’a Ronco (nicht zu
besichtigen) und Frassineto miteinander verbindet. Auf diesem Streckenabschnitt
wird der Umfang der urbar gemachten Ländereien besonders deutlich, wo die
architektonisch elegant gestalteten, großherzoglichen Landsitze einst für die
gesamte Agrikultur von Bedeutung waren.
VON DEN
PONTI DI AREZZO ZUR SCHLEUSE CHIUSA DEI MONACI
Der letzte
Abschnitt dieser Fahrt am Canale Maestro della Chiana entlang durchläuft die
Obsthaine und Weinberge von Civitella in Val di Chiana. Hier sind
wichtige Wasserbauten zu sehen, die im neunzehnten Jahrhundert geschaffen wurden,
um die Wässer der Seitenkanäle in den Canale Maestro zu leiten. Kurz vor
Kilometerstein 56 kommt man an den sog. Ponti d’Arezzo vorbei. Der
moderne Eisenbetonbau hat in Wirklichkeit eine lange Geschichte: Im 14. Jahrhundert
führte an dieser Stelle die sienesisch-aretinische Straße über fünf kleine
Brücken quer durch das Sumpfland der Chiana. Später
hat man sie durch eine zweibogige Brücke ersetzt, an die man 1589 sechs weitere
Bögen anfügte; sie alle waren mit Schleusentoren für die Regulierung des
Hochwassers ausgestattet, vor allem auch, um zu vermeiden, dass das Hochwasser
der Chiana sich mit dem des Arno vereinigte. Eine neue Brücke aus Backstein und
Eisen wurde im neunzehnten Jahrhundert infolge der Verbreiterung und
Austiefung des Canale Maestro gebaut. Nach den Bombenschäden aus dem Krieg
wurde sie dann in der jetzigen Eisenbeton-Ausführung wiederaufgebaut. Damit
erlebte die heutige Brücke ihre fünfte „Struktur“…
Hier
beginnt der Abschnitt mit gemischtem Verkehr in Richtung Arezzo, wo der Weg den
Ponte alla Nave streift, der bereits auf einer Landkarte von Leonardo da
Vinci von 1502 eingezeichnet ist. Schon damals war diese Brücke ein beachtlicher
Bau auf der Verbindungsstraße zwischen dem Valdarno und dem Valdichiana. In der
Nähe des Ponte alla Nave wird der Radweg von einem Getreidelager gesäumt,
das ebenfalls den Rittern des Stephans-Ordens zu verdanken ist. Hier
wurden einst die landwirtschaftlichen Erzeugnisse der großherzoglichen
Bauernhöfe von den Schiffen entladen und gelagert, bevor sie nach Florenz auf
den Markt geschickt wurden.
Nach einer rund 60 km langen Route geht die Fahrt in der Nähe der
größten Schleuse, der Chiusa dei Monaci, ihrem Ende zu. Sie existierte
bereits im Jahr 1115 und gehörte bis 1797 den Mönchen der Abtei Santa Flora e
Lucilla. Das Wasser der Chiana betrieb die Mahlsteine, mit denen die Mönche
Mehl herstellten. Erst in der Folgezeit wurde sie mit Schleusentoren für die
Wasserregulierung versehen; der heutige Bau nach Plänen des Ing. Alessandro
Manchi stammt aus dem Jahr 1839.
Der Radweg endet hier. Das Zentrum von Arezzo liegt ca. 6 km entfernt. Der Canale della Chiana setzt sich fort, bis er in den Arno einfließt; an der Mündung wird der Hauptfluss vom Ponte a Buriano überragt, einer romanischen Brücke, die mit aller Wahrscheinlichkeit hinter der Mona Lisa auf dem berühmten Gemälde von Leonardo da Vinci erscheint.
Texte und Fotos mit freundlicher Genehmigung des APT Chianciano Terme.